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Kommentar

Justitia blind oder volltrunken?

Wieder einmal unternehmen Düsseldorfer Behörden große Anstrengungen, sich zu blamieren. Leider ist der Anlass nicht lustig.

Aufstand der Anständigen

Eigentlich verhielten sich die Bürger genau so, wie die grosse Politik es forderte: Sie mischten sich ein. Am Karolinger Platz in Düsseldorf-Bilk standen am 3. Juni 2001 drei Neonazis zusammen und grölten ihr übliches, dummes, verbotenes Zeug. Drei andere Menschen kamen vorbei, und sagten Ihnen deutlich, dass sie bitteschön "die Klappe halten" sollten. Es ist völlig unerheblich, ob diese Menschen nun politisch rechts, links oder gar nicht orientiert sind. Sie haben im Sinne des "Aufstandes der Anständigen" richtig gehandelt und gehören dafür gelobt.

Der Oberbürgermeister, Herr Joachim Erwin, ist bekanntermassen anderer Ansicht: Man solle den Rechtsradikalen "den Rücken zudrehen". Dies taten die drei anstädigen Menschen dann auch: Sie gingen weiter ihres Weges. Das war ein Fehler. Die Nazis holten sich Verstärkung, rannten hinterher, und überfielen die drei Menschen auf der Brunnenstrasse, kurz vor der Kneipe "Café Tigges" hinterrücks. Im wahrsten Sinne des Wortes. Das Ergebnis: Drei Verletzte mit Messerstichen in Armen und Rücken. Rücken... Wie war das, Herr Oberbürgermeister?

Ein Gast des "Tigges", der den Angegriffenen zu Hilfe kommen wollte, überlebte dank einer Notoperation. Ihm gebürt absolute Hochachtung für seine Zivilcourage. In anderen Fällen werden hier Bundesverdienstkreuze und derartige Sachen verteilt. In diesem scheinen die Behörden weit davon entfernt zu sein. Sie haben andere Sorgen...

Beistand der Zuständigen?

Es reiht sich eine Panne an die andere, immer in dem Bemühen, die Täter zu verharmlosen, und die Opfer zu demütigen.

Zustand der Zuständigen

Einige Tage später gelingt es, dem Haupttäter ein Geständnis zu entlocken. Er wird gegen Auflagen auf freien Fuss gesetzt, da er noch nicht einschlägig vorbestraft sei. Es läuft jetzt also ein Mensch in Bilk frei rum, der auf Menschen einsticht, die sich gegen "Sieg Heil"-Rufe verwahren. Dies mag juristisch in Ordnung sein. Aber die erteilten Auflagen sind mit gesundem Menschenverstand nicht nachzuvollziehen:

Das ist wirklich interessant. Der Vater des Haupttäters ist einer der Mittäter. Die beiden leben in einer Wohnung. Herr, schmeiss Hirn vom Himmel!

Abstand der Umständlichen

Einige Tage später ist der Tathergang eigentlich umfassend geklärt. Trotzdem besteht die Staatsanwaltschaft auf der Vernehmung eines der Opfer, dessen Adresse ihr gottseidank nicht bekannt ist.

Bei diesem Menschen handelt es sich um einen Journalisten, der unter Pseudonym in der rechten Szene recherchiert. Dass er, würde seine Identität dort bekannt, um sein Leben fürchten muss, sollte eigentlich nachvollziehbar sein. Nicht für die Düsseldorfer Staatsanwaltschaft. Trotz heftiger Aktivität der Anwältin dieses Menschen, trotz Bescheinigungen des Arbeitgebers, trotz der Möglichkeit, diesen Menschen durch einen Beamten "verdeckt" zu vernehmen, und diese Aussage vor Gericht verlesen zu lassen, ohne dass er selbst erscheinen muss, besteht sie auf einer öffentlichen Vorladung.

Eine konkrete Bedrohung vermag sie nicht zu erkennen. Nicht? Noch nicht einmal nach der Messerstecherei auf der Brunnenstrasse ist ein Bedrohungspotenzial zu erkennen?

Widerstand der Betroffenen

Von den anderen Opfern verlangt die Staatsanwaltschaft unter Androhung von Beugehaft die Herausgabe der Adresse des Unbekannten. Auch hier zeigen diese beachtliche Zivilcourage: Sie weigern sich. Einer sagt sehr richtig, er ginge lieber in den Knast, als seinen "Freund tot auf der Strasse liegen zu sehen". Hut ab.

Für den 18. Juli hat er eine Vorladung erhalten. Er soll die Adresse seines Begleiters benennen. Es ist zu vermuten, dass er dies nicht tun wird.

Umstand der Rückstädigen

Oberstaatsanwalt Mocken wird in der Presse mit weiteren hochinteressanten Äusserungen zitiert. Rechte und Linke würden sich doch alle untereinander kennen, soll er gesagt haben. Diese Aussage zeugt von einem tiefen Einblick in die Düsseldorfer rechte Szene, deren Vorhandensein und Organisationsgrad Mocken andererseits immer wieder mal bestreitet.

Die "Rheinische Post" setzt dem Fass die Krone auf: Das "Cafe Tigges" mutiert hier zu einem stadtbekannten Treffpunkt der "Linksradikalen". Danke schön. Diverse Studentenstammtische samt Professoren, der Linux-Stammtisch, doppelkopfspielende Nachbarn, Jusos, Werbe-Fuzzis, einkaufende Hausfrauen, alle sind linksradikal. Eigentlich ist ganz Bilk linksradikal. So einfach ist die Welt.

Nochmals die "Zeitung für Politik und christliche Kultur": Die Antifa sei dafür bekannt, Informationen gezielt in die rechte Szene zu streuen, um Rechte zu solchen Taten zu provozieren. Aha. Also sind die Opfer an ihren Verletzungen selber schuld? Sätze, die einen derartig fortgeschrittenen Realitätsverlust zeigen, sind nur als undruckbar einzustufen. Es stellt sich die Frage, welche bewusstseinsverändernden Substanzen solche Redakteure am Arbeitsplatz konsumieren und ob dieses Verhalten vom ihrem Arbeitgeber toleriert wird.

Man muss die "Antifa" nicht lieben. Man muss auch nicht alle ihrer Forderungen verstehen oder gar unterstützen. Solange diese ungeliebten "Linksradikalen" offensichtlich bessere Erkenntnisse über Düsseldorfer Neonazis haben als Oberstaatsanwalt Mocken und seine Behörde, sollten wir froh sein, dass es die "Antifa" gibt.

Wer auf der Strasse Neonazis trifft, muss aufpassen, was er tut. Das wird immer so bleiben. Wer nach einer Auseinandersetzung mit Nazis auf Hilfe der "Zuständigen" hofft, kann bitter enttäscht werden. Das sollte nicht so bleiben. Hoffen wir, dass es nicht zu Zuständen wie in anderen Ländern kommt, wo Deutschen bei der Britischen Botschaft besser und unbürokratischer geholfen wird als bei ihrer eigenen Vertretung.